Das Schöne Mädchen von Pao by Otto Julius Bierbaum
Autor:Otto Julius Bierbaum [Bierbaum, Otto Julius]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
Herausgeber: Schuster & Loeffler
veröffentlicht: 1909-12-31T22:00:00+00:00
XX.
Ein Brief aus dem östlichen Palaste.
Der Anlaà fand sich bald.
Die Kaiserin Schên-hau, der es ausdrücklich verboten worden war, mit dem verbannten I-tschiu zu korrespondieren, konnte es im Getümmel dieser Geburtsfeierlichkeiten nicht mehr ertragen, ohne alle Verbindung mit ihrem Sohne zu sein. Auch fühlte sie, daà jetzt etwas geschehen müsse. So beschloà sie, sich krank zu stellen und der weisen Frau, die sie scheinbar untersuchen sollte, einen Brief an den Kronprinzen zuzustecken. Die alte Wên, berühmt als erste Heilkünstlerin des Landes, war, gegen das Versprechen, als Lohn zwei Stücke feinster Seide zu erhalten, leicht dafür gewonnen. So stellte sich die Kaiserin also krank und übergab, nebst den beiden Seidenstücken, der gefügigen Ãrztin folgenden Brief:
»Mein lieber Sohn! Dein Vater, der Kaiser, sinkt immer tiefer in Prinzipienlosigkeit und Wollust. Uns hat er von einander getrennt, um so ungenierter mit jener niedrigen Sklavin ein unwürdiges Lotterleben führen zu können. Nun hat ihm diese abscheuliche, gemeine Person gar einen Sohn geboren, und jetzt ist er auf dem Gipfel der Schamlosigkeit angelangt. Als du geboren wurdest, genügten ihm 500 Hartschiere, das verkündigen zu lassen, und die waren nicht einmal in gelber Gala, auch lieà er nur Reisbier verteilen; jetzt, zur Geburt jenes scheuÃlichen Bastards, muÃten es 2000 Hartschiere und in Gelb sein, auch hat er noch Mandelkuchen durch die ganze Stadt verteilt. Dazu alles übrige, was seit Bestehen des Reiches nur bei der Geburt eines rechtmäÃigen Thronerben geschehen ist.
Du siehst also, mein lieber Sohn, daà die Lage sehr gefährlich ist. Es ist durchaus nötig, daà du wieder an den Hof zurückkehrst. Damit dies geschehen kann, ist es nötig, daà du dich mit einem Bittgesuch an den Sohn des Himmels wendest. Natürlich muÃt du darin deine wahren Gefühle verbergen und so tun, als sähest du deine Schuld (die aber ein groÃes Verdienst ist) ein und wärest von Reue ganz zerknirscht. Das wird schon wirken, denn die Verstandeskräfte Seiner Majestät haben, wie es bei dieser schmählichen Lebensweise ja auch nicht anders sein kann, erheblich abgenommen. Tue also ja, wie ich dir rate. Bist du erst wieder bei mir, dann wollen wir vereint beraten, was geschehen muÃ. Im schlimmsten Falle lassen wir unsere Garden in Aktion treten.
Deine dich liebende
unglückliche Mutter
Schên-hau.
PS. GrüÃe den GroÃvater und lege ihm nahe, heimlich mobil zu machen. Es könnte sein, daà wir seine Truppen brauchen könnten. Ich hoffe, daà du gesund bist. Ich bin es soweit.«
Die alte Wên wickelte den Brief in ihre zwei Seidenstücke ein, setzte ein Medizinalratgesicht auf und ging, scheinbar in sehr ernsten Gedanken, in Wahrheit aber seelenvergnügt, aus dem östlichen Palaste hinaus, mit dem Vorsatze schleunigst Extrapost nach Schên zu nehmen. Aber die wachhabenden Serail-Eunuchen, von der Prinzessin Pao, die über alles von ihren Spionen unterrichtet war, instruiert, hielten sie an und sagten: Madame, sind das Pillen, die Sie da in den Seidentüchern tragen? Oder Medizinfläschchen? Oder eine Klistierspritze? Hä?
Die alte Wên erbleichte, faÃte sich aber und sprach: Meine Herren, es ziemt sich nicht, daà ich Geräte, deren ich zur Untersuchung Ihrer Majestät bedurfte, profanen Augen zur Schau stelle. Lassen Sie mich weiter! Ich muà in die Apotheke.
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